Geschichte der Juden in Stadthagen
von 1430 bis heute

1430

Um 1430 leben nachweislich die ersten Juden in Stadthagen. Isaac und Moses müssen Pferde zur Verteidigung der Stadt halten. Meister Israel ist ein jüdischer Arzt.

16. Jahrhundert

Ende des 16. Jahrhunderts ziehen jüdische Familien nach Stadthagen: Moses und sein Sohn Nathan Spanier sowie dessen Schwiegersohn Jost Goldschmidt. Sie erhalten Geleitbriefe des Grafen Adolf XIV. Sie begründen eine große Nachkommenschaft in Hameln und Altona.

1670

Um 1670 wird Jobst Samson aus Metz Landesrabbiner in der Grafschaft Schaumburg-Lippe. Er wurde später nach dem Ort seines Wirkens Joseph Stadthagen genannt.

1704

1704 Streitgespräch am Kurfürstlichen Hof in Hannover. Die jüdische Seite vertritt Rabbi Stadthagen, die christliche ein zum Christentum übergetretener Jude. Rabbi Stadthagen geht als „Sieger“ daraus hervor.

1717

1717 wird allen Juden der Schutz des Landesherrn entzogen. Sie mussten das Land verlassen. Bald danach wohnten aber wieder Juden in der Grafschaft Schaumburg.

1822

Um 1822 wird den Juden erlaubt, einen neuen Friedhof (heute Seiler- /Ecke Parkstraße) anzulegen. Die früheren Friedhöfe wurden aufgegeben.

1848

1848 erhalten die Juden die Gleichberechtigung im Fürstentum Schaumburg-Lippe. Sie können jetzt die verschiedensten Berufe ergreifen.

1855

1855 plant die jüdische Gemeinde den Bau einer Synagoge hinter dem Oberntor.

1858

1858 kauft Isaac Rafael Salfeld das Haus Nr. 257 (heute Niedernstr. 19) und lässt im Hinterhof eine Synagoge bauen. Am 5. Mai 1858 wird die Synagoge von dem Rabbiner Dr. Hermann Joel mit einer Predigt eingeweiht. Sie bleibt bis 1938 das Zentrum religiösen Lebens der Juden.

bis 1933

Bis 1933 integrieren sich die Juden in das städtische Leben. Christen kaufen in den Läden von Juden ein, gehen in jüdische Gasthäuser, besuchen einen jüdischen Arzt. Juden nehmen am Krieg 1870/71 und am ersten Weltkrieg teil, gründen die Freiwillige Feuerwehr, beteiligen sich am Schützenfest und sind in den kommunalen Gremien vertreten.

1933

1933 beginnen auch in der von Nationalsozialisten übernommenen Stadt die Erniedrigungen, Einschüchterungen und Entrechtungen der jüdischen Mitbürger. Jüdische Geschäfte werden boykottiert.

Nov. 1938

Am 10. November 1938 werden jüdische Männer verhaftet und für mehrere Monate in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert.

Nov. 1938

11./12. November 1938: im Inneren der Synagoge wird von SA-Leuten ein Feuer gelegt. Die Einrichtung und die religiösen Gegenstände werden zerstört. Das Feuer wird wegen der Gefahr für die umliegenden Fachwerkhäuser schnell gelöscht.

1938

1938 beginnen die Zwangsarisierungen jüdischer Kaufläden.

1939

Im Juli 1939 werden alle Juden in zwei Judenhäusern (Am Markt 6 und Obernstr. 26) zusammengepfercht.

1940

Bis 1940 fliehen 30 Jüdinnen und Juden in das Ausland.

1941/1942

1941 und 1942 werden 25 Männer, Frauen und Kinder jüdischen Glaubens deportiert und ermordet.

1942

1942 wird die jüdische Gemeinde gezwungen, das Grundstück Niedernstr. 19 mit der Synagoge im Hinterhof zu verkaufen.

1945

Nach 1945 wird die Synagoge als Abstellraum für Mobiliar von Flüchtlingsfamilien und später als Warenlager für Farben, Teppiche, Tapeten benutzt. Als ehemalige Synagoge gerät sie in Vergessenheit.

1988

9. November 1988 findet die erste kommunale Gedenkveranstaltung in Stadthagen zum Reichspogrom statt. Eine Erinnerungstafel wird an der Synagoge angebracht.

1990

Ab 1990 können Juden aus der ehemaligen UdSSR nach Deutschland, d.h. auch nach Stadthagen, einwandern.

2007/2008

2007 und 2008 wird die Notwendigkeit eines Denkmals für die jüdischen Opfer im Landkreis Schaumburg breit diskutiert. Der Rat der Stadt Stadthagen beschließt am 28. April 2008, die Synagoge zu einem Gedenk- und Lernort für ganz Schaumburg zu gestalten.

Nov. 2008

18. November 2008 wird der „Förderverein ehemalige Synagoge Stadthagen e.V.“ gegründet.

Nov. 2008

Am 9. November 2008 wird eine Menora an Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Bad Nenndorf und Bückeburg als symbolischer Akt der Rückgabe der Bürgerrechte überreicht.

2011

Ab 2011 verlegt der Künstler Gunter Demnig „Stolpersteine“ in der Stadt. Die Aktionen werden von dem Arbeitskreis „Zur Geschichte der Juden in Stadthagen“ vorbereitet.

2017

Am 29. Oktober 2017 wird die ehemalige Synagoge als Gedenk- und Lernort eröffnet.

Beitrag

Stadthagen war nie ein jüdisches Zentrum, der jüdische Teil der Bevölkerung war stets eine kleine Minderheit inmitten der Stadtgesellschaft. Eine überschaubare Zahl an jüdischen Familien hatte sich vor allem Mitte des 19. Jahrhunderts in Stadthagen niedergelassen und in die Stadt integriert. Mehr als 60 Menschen jüdischen Glaubens waren es jedoch zu keiner Zeit. Was aber führte sie nach Stadthagen? Wie lebten sie? Was erlitten sie in der Zeit des Nationalsozialismus? Gibt es Zeugnisse jüdischen Lebens und wie steht es heute um jüdische Mitbürger:innen?

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