Die Synagoge


Baugeschichte und Baukonzept

Die Synagoge in Stadthagen wurde 1858 eingeweiht und diente bis zu dem Brandanschlag 1938 der jüdischen Gemeinde als religiöses Zentrum. Was geschah mit ihr in der Zeit des Nationalsozialismus und nach dem Ende des 2. Weltkriegs? Wie entwickelte sich die Idee, sie zu einem Gedenk- und Lernort zu gestalten?

Baugeschichte und Konzept

Mehrere hundert Jahre hatten die Juden in Stadthagen keine eigene Synagoge. Sie mussten ihre Gottesdienste in privaten Wohnhäusern abhalten, zuerst im Haus Nr. 242, heute Krumme Straße 15. Der erste Antrag 1635, eine Synagoge zu erbauen, wurde von der Stadt und der evangelischen Kirche abgelehnt. 1855 beantragte die jüdische Gemeinde wieder, eine Synagoge bauen zu dürfen. Die Stadt schlug einen Bauplatz in den Kämmereigärten vor dem Oberntor vor. Als die Verhandlungen sich hinzogen, kaufte Isaac Raphael Salfeld, ein wohlhabender Leinenfabrikant, das Haus Nr. 257 , heute Niedernstr. 19. Im Hinterhof ließ er eine Synagoge bauen. Sie war von Gärten umgeben und konnte nur durch einen Flur im Vorderhaus erreicht werden. Der Bau war mit einer Fläche von 9 mal 11 Metern recht klein, eine Mikwe, die für rituelle Waschungen eigentlich erforderlich war, gab es nicht. Am 5. Mai 1858 konnte die Synagoge mit einer Predigt des Rabbiners Dr. Hermann Joel feierlich eröffnet werden. Ob im Vorderhaus eine Lehrerwohnung und ein Schulraum - wie ursprünglich geplant - vorhanden waren, ist nicht bekannt. Die Wohnungen in dem Haus wurden auch an christliche Familien vermietet.

Bis 1938 war die Synagoge das Zentrum des jüdischen Lebens in der Stadt. In der Nacht vom 11. zum 12. November 1938 stiegen SA-Männer durch ein Fenster in die Synagoge ein und legten Feuer. Da die Nachbarn befürchten mussten, dass das Feuer auf ihre Fachwerkhäuser übergreifen könnte, wurde der Brand schnell gelöscht. Die jüdische Synagogengenossenschaft wurde von den Nationalsozialisten gezwungen, ihr Grundstück und die Gebäude zu verkaufen. Käufer war der Kaufmann Karl Dohme.

Nach 1945

In der früheren Synagoge wurden nach dem 2. Weltkrieg zeitweise Möbel von Flüchtlingsfamilien und Schweineborsten zur Herstellung von Bürsten gelagert. Der neue Eigentümer nahm Veränderungen vor: er ließ das runde Fenster an der Ostseite und den Thoraschrein zumauern, neue kleinere Fenster einbauen, drei Backstein-Außenwände mit Zement verputzen und eine Zwischendecke - als Verlängerung der Frauenempore - einziehen. Letzteres hatte den Zweck, mehr Raum für die Lagerung von Waren (Farben, Fußbodenbeläge, Tapeten) für das Geschäft im Vorderhaus zu erhalten. In der Öffentlichkeit geriet die Synagoge weitgehend in Vergessenheit. Erst 1988, 50 Jahre nach dem Reichspogrom, organisierte die Stadt eine Gedenkveranstaltung und ließ eine Gedenktafel an dem Gebäude anbringen.

Die Synagoge als Gedenk- und Lernort

2007 schlug der Künstler Hasso Neumann vor, zum Gedenken an die vielen jüdischen Opfer im Landkreis Schaumburg ein Denkmal zu errichten. Auf einer hohen Betonstele sollte eine Menora stehen, die an Gedenktagen erleuchtet werden sollte. Eine Fotomontage, die das Denkmal vor dem Museum Amtspforte zeigte, führte zu einer heftigen Diskussion. Zur Versachlichung organisierte die Schaumburger Landschaft drei intensiv vorbereitete Diskussionsrunden unter der Leitung des früheren Landesbischofs Jürgen Johannesdotter und des früheren Oberkreisdirektors Klaus Lemme. Da in dieser Zeit bekannt wurde, dass die Synagoge als Warenlager nicht mehr benötigt wurde, gab das der Debatte eine neue Richtung. Ergebnis war ein breiter Konsens, der vom Rat der Stadt umgesetzt wurde: Die Synagoge soll zu einem dauerhaften Gedenk- und Lernort über die Zeit des Nationalsozialismus im Landkreis Schaumburg umgestaltet werden. Im Zentrum sollte die Erinnerung an die jüdischen Opfer, aber auch an alle anderen im Nationalsozialismus verfolgten Menschen stehen.

Von Anfang an stand fest, dass eine Wiederherstellung als religiöse Synagoge nicht infrage kam, da in Stadthagen keine jüdische Gemeinde bestand und die Jüdische Gemeinde Schaumburg bereits in Bad Nenndorf über einen religiösen Versammlungsraum verfügte. Auch die Idee, aus dem Gebäude eine Art Museum zu machen, war ausgeschlossen, da ausstellbare Gegenstände fehlten. Die Stadt Stadthagen, die das Gebäude mietete, übertrug die Aufgabe "Synagoge als Gedenk- und Lernort" dem 2008 gegründeten Förderverein ehemalige Synagoge Stadthagen e.V. Der erste Vorsitzende war Bernd Hellmann, damals Bürgermeister Stadthagens.

Überlegungen zur Renovierung

Es bestand Konsens darüber, dass die Fenster in ihrer ursprünglichen Form wieder hergestellt werden sollten. Wenig später entstand die Idee, die Innenfenster von dem Glaskünstler Frieder Korff gestalten zu lassen. Im Erdgeschoss, das als Raum für Veranstaltungen und Gedenkraum dienen sollte, musste der Thoraschrein wieder hergestellt werden. Dass das Gebäude beheizt, die Außenwände stark gedämmt und die aus dem Jahr 1858 erhaltene Eingangstür sowie die Treppe restauriert werden sollten, all das gehörte zu den ersten Entscheidungen. Dazu kamen die aktuellen Bauvorschriften und der kostenintensive aktuelle Brandschutz. Die wichtigste Überlegung war aber, in der Höhe der Frauenempore eine neue Zwischendecke einzuziehen, um ausreichend Platz für Lerngruppen zu erhalten. Die Außenwände sollten eigentlich vom Putz befreit werden, um ihr altes Aussehen wieder herzustellen. Das war leider nicht möglich, da das Abschlagen des Zementputzes die Backsteine erheblich zerstört hätte. So ist nur die Westseite im Original wieder zu sehen. Das runde Fenster an der Ostseite wurde wieder geöffnet und ein Fenster in der Form eines Davidsterns dort eingebaut.

Am 29.10.2017 wurde die Synagoge im Beisein des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan-Peter Weil feierlich eröffnet.

Die farbigen Glasfenster

Im Zuge der umfangreichen Bauplanungen kam schon früh der Wunsch auf, alle Innenfenster künstlerisch gestalten zu lassen. Der Vorstand des Fördervereins bat den Glaskünstler Frieder Korff, hierzu Vorschläge zu entwickeln. Nach vielen Überlegungen kam er auf die Idee: Die Zerstreuung der Juden in alle Welt, die Diaspora, sollte durch die Zerlegung des Davidsterns in alle darin enthaltenen geometrischen Formen symbolisch dargestellt werden. Der wieder zusammengeführte Davidstern sollte dann an seiner ursprünglichen Stelle in der Ostwand als Rundbogenfenster eingebaut werden. In einem besonderen Glasschmelzverfahren (Fusing) mit verschiedenen Farben wurden diese Formen (Dreiecke, Rhomben, Rechtecke, Quadrate) in den Fenstern abgebildet. Die Kosten für die aufwändige Herstellung und Gestaltung der Fenster wurden durch Spenden aufgebracht

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