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Eine jüdische Stimme für Sophie von der Tann

Um die Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrich-Preises hat es eine heftige Kampagne gegeben, die sich gegen die Preisträgerin Frau Sophie von der Tann richtete. Wir dokumentieren hier noch einmal knapp den Vorgang und veröffentlichen einen Brief von Rabbi Gabor Langyel (Hannover), den wir ausdrücklich unterstützen.

Eine jüdische Stimme für Sophie von der Tann

Der folgende Brief ist gerichtet an:

An den Vorstand des Vereins zur Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises für Fernsehjournalismus e. V.
Frau Sandra Maischberger,
Herrn Mathias Werth,
Herrn Claus Kleber,
Herrn Volker Skierka,
Frau Ilse Madaus-Friedrichs (Ehrenvorsitzende).
An den Vorsitzenden der ARD Herrn Intendant Florian Hager (hr),
An den Vorsitzenden der ARD-GVK Herrn Dr. Klaus Sondergeld (Radio Bremen)

Hannover, 06. Dezember 2025

Sehr geehrte Damen und Herren,

die kontroverse Debatte um die Auszeichnung der Journalistin Sophie von der Tann mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Medienpreis erscheint mir in einem unerträglichen Maße empörend. Es ergoss sich eine teils wütende, teils diffamierende Kampagne über die Journalistin. Parteilichkeit, Ausblendung von Realitäten und verzerrende Berichterstattung über die Situation in Gaza und in der Westbank waren noch die gemäßigteren Vorwürfe unter den einem Shitstorm gleichenden, Hass und Hetze versprühenden Attacken in sozialen Medien. Auch mit Israel solidarische Verbände und jüdische Repräsentanten, Vereine und Journalisten unterstellten ihr ‚Vereinfachung‘, ‚Emotionalisierung‘ und ‚Aktivismus‘ statt solider journalistischer Arbeit.

Mit Bezug auf die Begründung der Jury für den Hanns-Joachim Friedrichs-Preis möchte ich unterstreichen, dass die Vorstellung von Sophie von der Tann als eine „krisenfeste und unerschrockene Korrespondentin, die sich nicht scheut, Dinge beim Namen zu nennen“ aus meiner Sicht zutreffend ist. Ebenso kann ich im Sinne der Begründung der Jury nur zustimmen, dass die Aufmerksamkeit der Korrespondentin in kompetenter und ausgewogener Weise auf die „Massaker der Hamas und ihre Terror-Herrschaft in Gaza“ und gleichzeitig auf „Israels Politik und Kriegsführung“ gerichtet ist.

Ende November 2025 hatte ich die Gelegenheit, Frau von der Tann persönlich in einem längeren Gespräch in Tel Aviv kennenzulernen. Ich traf dort auf eine aufgeschlossene, kenntnisreiche und selbstkritische Frau, die sich bemüht, faktengestützt zu berichten und beiden Seiten gerecht zu werden. In keiner Weise bestreitet sie das Existenzrecht meiner seelischen Heimat Israels. Sie weist aber beharrlich und mit Recht auf die offenkundigen

Fehlentscheidungen der Regierung Netanjahu im Gazakrieg und auf die aggressiven Aktionen der militanten nationalreligiösen Anhängerschaft seiner Minister.

Ich möchte mich als jüdische Stimme gegen die Unterstellungen und Diffamierungen der Arbeit von Sophie von der Tann erheben. Als Überlebender der Shoa (Geboren 1941 in Budapest, meine Mutter wurde auf der Höllenfahrt von KZ Ravensbrück nach Burgau ermordet), als deutscher und israelischer Staatsbürger, als ehemaliger israelischer Soldat und als Rabbiner spreche ich der Journalistin meinen Dank und meine Achtung für ihre Arbeit aus.

Ich möchte mit diesem Schreiben den dringenden Appell an alle Verantwortlichen bei der ARD richten, die journalistische Arbeit in Berichterstattung und Kommentierung konsequent nach höchsten medienethischen Standards fortzusetzen und die journalistischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in entschiedenen, öffentlichen Voten vor Hetz- und Hasskampagnen in Schutz zu nehmen. Das schließt nicht aus, dass fallweise Richtigstellungen oder Gegendarstellungen zu publizieren sein könnten.

Mit dieser Wortmeldung möchte ich unterstreichen, dass aus meiner Sicht die Entscheidung der Jury für den Hanns-Joachim Friedrichs-Preis gerechtfertigt war und dass ich die Preisverleihung an Sophie von der Tann für ihre Arbeit als Korrespondentin im ARD-Studio Tel Aviv ausdrücklich begrüße.

Ich hoffe, dass auch die kontroverse Debatte um diese Preisverleihung in eine konstruktive Richtung gelenkt werden wird.

Zum Hintergrund

wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_von_der_Tann) beschreibt den Vorgang folgendermaßen:

Kampagne nach Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises

Die Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises 2025 an von der Tann kritisierte die Jüdische Allgemeine als „nicht nur grundfalsch“, sondern auch als „aberwitzig“. Der Sprecher der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte Arye Shalicar nannte von der Tann „das Gesicht vom neu-deutschen Israel- und Judenhass“. Götz Hamann von der Zeit schrieb in diesem Zusammenhang, es zeige sich „in ganzer Schärfe, wie Kontroversen um Israel oft laufen. Sie münden binnen Tagen darin, dem anderen das Schlechteste zu unterstellen. […] Der Vorwurf gegen Sophie von der Tann könnte kaum rufschädigender sein.“ Christoph Reuter vom Spiegel kommentierte: „Die koordiniert wirkende Kampagne gegen von der Tann, maßgeblich befeuert von Vertretern des israelischen Staates und proisraelischen deutschen Aktivisten, sollte deshalb all jenen Sorgen machen, denen die Presse- und Meinungsfreiheit am Herzen liegt.“[16] Dem israelischen Journalisten David Issacharoff berichteten deutsche Kollegen, es handle sich bei dieser von der Israelischen Botschaft in Berlin angeführten und ihren „Verbündeten“ bei der Jüdischen Allgemeinen und der Welt unterstützten Kampagne um eine mittlerweile gut bekannte Taktik, mit der Druck auf Journalisten ausgeübt werden solle.

72 Nahost-Korrespondenten veröffentlichten einen offenen Brief, in dem sie eine „Diffamierungskampagne“ monieren, deren Anschuldigungen längst über von der Tann als Person hinausgehen würden. Bei der Preisverleihung am 4. Dezember 2025 bezeichnete der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle als Redner die Vorwürfe gegen von der Tann als „völlig überzogen“. Er sprach bei der Übergabe des Preises von einem „‚veritablen Kulturkampf‘ gegen etablierte Medien, der von sogenannten alternativen Medien wie Nius, Tichys Einblick und Apollo News befördert werde, die Verschwörungstheorien und Hasstiraden im Netz verbreiten würden. Hinzu kämen Desinformationskampagnen aus dem Ausland, unter anderem aus Russland.“

René Martens (Übermedien) bewertete die Angriffe auf Sophie von der Tann als eine weitgehend beleglose und teils von israelischen Offiziellen befeuerte Kampagne, die legitimes journalistisches Handwerk fälschlicherweise skandalisiert.

Die Tagesschau zitierte hierzu den deutsch-israelischen Historiker und Pädagogen Meron Mendel. Bezogen auf den Konflikt im Nahen Osten bestehe eine merkwürdige Situation: Manche Kommentatoren werfen laut Mendel den Medien vor, sie stellten sich zu eindeutig auf die Seite Israels, während andere ihnen genau das Gegenteil unterstellen und sie als zu freundlich gegenüber den Palästinensern wahrnehmen. In Bezug auf Reporter wie von der Tann sagte Mendel: „Journalisten, die die schwierige Aufgabe haben, aus Nahost zu berichten, werden diese Menschen deswegen niemals komplett zufriedenstellen können.“

Den Tenor der Kritik an der Preisverleihung, bei allen Varianten, zeigt recht deutlich ein Meinungsbeitrag in der Jüdischen Allgemeinen (LINK: https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/gratulation/ )

Dazu die Berichterstattung der tagesschau (LINK: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/hanns-joachim-friedrichs-preis-von-der-tann-willinger-100.html )

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