Erinnerungen an das Ehepaar Ellen und Karl Faber
Verfolgung in Bad Eilsen
In diesen Tagen ist ein Artikel in den Schaumburger Nachrichten zum Schicksal des Ehepaares Faber erschienen. Diesen interessanten und gut recherchierten Beitrag möchten wir Ihnen nicht vorenthalten.
Bericht der SCHAUMBURGER NACHRICHTEN
Gefunden in einem eingemauerten Tresor
Erinnerungen an die Bad Eilser Nazi-Opfer Ellen und Karl Faber werden im Museum Bückeburg wachgehalten
VON KARSTEN KLAUS
BAD EILSEN/BÜCKEBURG.
Die neue Dauerausstellung des Bückeburger Museums für Stadtgeschichte und SchaumburgLippische Landesgeschichte thematisiert auch die menschenverachtende Politik der Nationalsozialisten und ihre Gräueltaten im Dritten Reich. In einer kleinen Vitrine fallen eine Reihe Orden und Ehrenzeichen ins Auge. Sie wurden im Ersten Weltkrieg Dr. Karl Faber verliehen. Doch letztlich nutzten die hohen Auszeichnungen dem Bad Eilser Badearzt gar nichts, als es um das Schicksal seiner eigenen Familie ging. Sie konnten seine Frau Ellen nicht vor dem Konzentrationslager retten. Heute erinnern zwei Stolpersteine in Bad Eilsen an das Schicksal von Ellen und Karl Faber, eine Straße ist nach dem Arzt benannt. Im Museum steht die tragische Geschichte der Fabers stellvertretend für unzählige Opfer des Nationalsozialismus'.
So wird die Erinnerung an die Fabers in Bad Eilsen durchaus wachgehalten, nicht zuletzt auf Initiative des verstorbenen Vorsitzenden des Heimat- und Kulturvereins, Friedrich Winkelhake. Dieser hatte sich 2015 für die Verlegung der Stolpersteine durch den Künstler Gunter Demnig starkgemacht und das Leben der Familie Faber erforscht. Doch die tragische Geschichte hinter den kleinen Gedenksteinen vor dem Haus an der heutigen Dr.-Faber-Straße 1 dürfte kaum bekannt sein.
In der kleinen Villa auf dem Eckgrundstück Julianenstraße/Dr.-Faber-Straße wohnte Karl Faber, der in Bad Eilsen als Badearzt praktizierte, mit seiner Frau Ellen. Faber war gebürtiger Bückeburger. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte er spät aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Als Schiffsarzt war er im Fernen Osten auf den damals deutschen Palau-Inseln hängen geblieben. Zunächst praktizierte er in Bückeburg, dann wurde er von der Betriebsgesellschaft des Fürstlichen Bades Eilsen zum Badearzt berufen.
1922 heiratete er seine Frau Ellen. Beide zogen in eines der ersten Häuser im neu errichteten Eilser Villenviertel. Ellen Hinrichsen nahm damals nicht nur den Namen ihres Ehemannes an, sondern ließ sich auch christlich taufen. Sie entstammte einer jüdischen Lübecker Familie. Trotz Taufe und trotz ihrer Ehe mit einem im Ersten Weltkrieg hoch dekorierten „Arier" galt die Frau den Nationalsozialisten als Jüdin und damit als Volksfeindin.
„Bad Eilsen muss judenfrei werden", lautete eine Parole der neuen braunen Herren. Es begann eine Rufmordkampagne gegen Faber und besonders gegen seine Ehefrau, Schmähbriefe fanden sich später in seinem Nachlass. Zeitzeugen berichteten Winkelhake von Demütigungen aller Art bis hin zu tätlichen Übergriffen wie eingeworfenen Fensterscheiben. Das Ehepaar ließ sich jedoch so schnell nicht vertreiben. Im März 1940 entschied der Gemeinderat, dass Fabers den Kurort zu verlassen hätten -doch die blieben standhaft. Erst im Zuge einer Notdienstverordnung gelang es, Faber nach Lindhorst versetzen zu lassen.
Doch auch dort war das Ehepaar, das im Gasthof zum Bahnhof untergekommen war, nicht willkommen, auch dort wollte man Familie Faber so schnell wie möglich wieder loswerden. Lindhorster Nationalsozialisten intervenierten beim NS-Kreisleiter und beim Gau-Ärzteführer in Münster. Begründung: Es sei für den Gastwirt Langhorst, seines Zeichens Parteigenosse, und dessen Familie nicht zumutbar, eine Jüdin zu beherbergen, zu verpflegen, zu bedienen und für sie „zwangsläufig parat zu stehen". Gleiches gelte für die Hausgehilfin, die Führerin beim Bund Deutscher Mädchen sei. Immerhin wird anerkannt, dass auf Faber als Arzt kaum verzichtet werden kann. Vorgeschlagen wird daher ein Stellentausch mit einem anderen Arzt, zum Beispiel „aus den durch Feindeinwirkung betroffenen Gebieten". Die Jüdin müsse endlich aus dem hiesigen Kreis verschwinden, „da sie auch in Lindhorst innerhalb der Partei- und Volksgenossenschaft sehr „anstößig" auftrete.
Auch in Lindhorst fühlten sich Ellen und Karl Faber als Ausgestoßene gebrandmarkt. Doch es sollte noch viel schlimmer kommen.
Im September des Jahres 1944 erreichte die Familie die polizeiliche Anweisung für Ellen zum Abtransport nach Bielefeld. Dort unterhielten die Nazis eine Sammelstelle für die jü dischen Bürgerinnen und Bürger auch aus Schaumburg-Lippe, die in die Konzentrationslager abtransportiert werden sollten.
Ein Zeitzeuge aus Lindhorst berichtete Winkelhake, dass Faber seine Frau völlig aufgelöst nach Bielefeld begleitet und alles Erdenkliche versucht habe, um sie wieder freizubekommen - vergeblich.
Im Dezember 1944 wurde Ellen Faber von Bielefeld nach Magdeburg überführt. Ende Januar 1945 erreichte den Arzt eine letzte Postkarte seiner Frau aus Berlin, auf der diese berichtete, dass die Fahrt weiter Richtung Osten führen sollte - wohl ins Konzentrationslager Auschwitz. - Man hat nie wieder etwas von ihr gehört.
Karl Faber wurde nach Königsberg zwangsversetzt. Er überlebte den Krieg und verstarb im Alter von 66 Jahren als gebrochener Mann 1951 im Krankenhaus in Rodenberg.
Ende der 1970er-Jahren fand der Fall noch ein unerwartetes Nachspiel. Das ehemalige Wohnhaus der Fabers in Bad Eilsen war von den Erben verkauft worden. Bei Renovierungsarbeiten wurde ein eingemauerter Tresor gefunden. Darin fanden sich Akten und Hetzbriefe gegen die Familie sowie die Orden und Ehrenzeichen des hoch dekorierten Weltkriegsveteranen Faber, die jetzt im Bückeburger Museum zu sehen sind.
Wir dokumentieren hier - zum DOWNLOAD - den Artikel aus den Schaumburgwer Nachrichten vom 17.01.2023.