Israel - Reisen: Ja oder Nein ??
In unregelmäßigen Abständen erhalten wir Post aus Israel: Unser Partnerreisebüro SK-Tours berichtet über die aktuelle Lage oder - wie diesmal - über wichtige grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit der Situation in Israel.
Diesmal geht es um die Frage "Kann man touristisch oder als Studienreise nach Israel fahren oder nicht?" Geradezu eine Gewissensfrage - schwierig. Die Überlegungen unserer Partner sind lesenswert und deshalb dokumentieren wir hier ihren Text.
SK-Bulletin November 2025
„Nicht in dieses Land...! Oder jetzt erst recht?“
Die Rückführung der überlebenden und jetzt auch der meisten der ermordeten Entführten hat in der israelischen Gesellschaft zu einem tiefen Aufatmen geführt. Eine schwere Betonplatte auf der Brust, die dem Land die Luft zum Atmen geraubt hatte, hat sich gehoben.
Die Bedeutung dieses Dramas liegt nicht allein in der starken Anteilnahme gegenüber den unmittelbaren entführten Menschen und ihren Familien. Es ging um den nationalen Konsens: Die Stärke der israelischen Gesellschaft liegt in ihrem Bewusstsein einer Solidargemeinschaft, eingeübt über mehr als 2000 Jahren Verfolgungsgeschichte. Die Auslösung von jüdischen Menschen ist religiöses Gebot, was unter den Umständen jetzt eines eigenen Staates den Einsatz für entführte Bürger und Soldaten zu einer besonderen Pflicht eben dieses Staates macht. Eine breite Mehrheit der Menschen in Israel war schon sehr früh bereit, die Konfrontation mit der Hamas zugunsten der Freigabe der Entführten zu beenden. Entsprechend gross war dann die Erleichterung und Begeisterung in der israelischen Bevölkerung gegenüber dem von Präsident Trump erzwungenen Waffenstillstand und der Geiselbefreiung.
Was dann auch bedeutet, dass die israelische Öffentlichkeit jetzt dafür frei geworden ist, weitere zentrale Themen anzugehen, dabei vor allem eine staatliche Untersuchungskommission zu dem 7.Oktober, der erweiterten Einbindung der Ultraorthodoxen in die israelische Gesellschaft und möglicherweise (endlich) auch die Frage nach der Zukunft der besetzten Gebiete. Eine breite Mehrheit in Israel sucht die Veränderung. Das Land steht spürbar vor einem Neuanfang.
Und - die Menschen lächeln wieder.
Wir selbst und als Touristiker erleben das in diesen Tagen schon ganz praktisch vor Ort: die Altstadt von Jerusalem ist tatsächlich wieder voll mit Gruppen aus der ganzen Welt – sogar aus Deutschland! Sehr ermutigend ist auch die Ankündigung des Deutschen Aussenministeriums, die Reisewarnumgen für Israel weitgehend aufzuheben.
Aber - kann sich Israel wirklich so schnell von dem Image erholen, das ein von so vielen Menschen in der Welt als exzessiv geführter Krieg gegen die Hamas hat entstehen lassen? Dabei sind es nicht nur die Aktivisten aus dem post-kolonialen Umfeld einer Greta Thunberg, die dem Land kritisch gegenüberstehen. Auch alte Israel Veteranen fragen: Ist es gegenwärtig moralisch vertretbar (und nebenbei auch ungefährlich), das Land zu bereisen?
Diese Fragen sind berechtigt. Sie stehen als Grundsatzfragen für viele Länder und weit über Israel hinaus immer wieder aktuell im Raum.
Dazu möchten wir (verkürzt) ein paar Gedanken anbieten, zu denen wir von dem deutschen Verein der Schneller-Schulen (Jordanien/Libanon) für einen Beitrag in seiner Monatszeitschrift unter dem Motto „Reisen und Begegnungen im Heiligen Land in der neuen Realität nach dem 7. Oktober“ angeregt worden waren:
„In dieses Land will ich nicht reisen!“ –
Oder jetzt erst recht?!
Es gibt nur weniges in diesem Heiligen Land, das wir nicht anderswo viel grösser, eindrucksvoller und vor allem auch – viel günstiger fänden. Und völlig klar ist auch, dass nach dem 7.Oktober 23 die Attraktivität von Reisen nach Israel und in die palästinensischen Autonomiegebiete als entspanntem Urlaubsziel kaum noch gegeben scheint.
Für Kundige war die persönliche Sicherheit des Reisens in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten, selbst in Krisenzeiten vor Ort, allerdings nie wirklich ein Thema – abgesehen von der realistischen Gefahr, bei dem mörderischen Verkehrsverhalten von Israelis und Palästinensern unter die Räder zu geraten. Wenn jetzt die unmittelbaren Kriegshandlungen zwischen Hamas und Israel hinter uns liegen, sollte eigentlich alles so sein können wie – wie früher!
Wird es aber nicht. Dabei kann ein „in dieses Land will ich nicht reisen“ sowohl als ein politisches wie auch als ein moralisches Statement nicht nur gegenüber dem Heiligen Land selbst, sondern gleich auch einer Vielzahl von weiteren Reisezielen verstanden werden: Unser Protest gegenüber einem Reiseland, dessen Politik oder seine politischen Strukturen wir ablehnen – und wir dies mit unser Weigerung, es zu bereisen, zum Ausdruck bringen wollen!
Und manchmal mögen wir uns auch einfach schämen, es uns vor Ort gutgehen zu lassen, wenn die Menschen um uns herum aus Kriegsfolgen oder Umweltkatastrophen heraus leiden. Die leckere Pizza schmeckt nicht wirklich, wenn ein hungriges Kind uns dabei mit grossen Augen anbettelt.
Beide Haltungen sind nachvollziehbar, lassen sich allerdings auch umgekehrt denken: Nach dem furchtbaren Erdbeben, dem schrecklichen Tsunami, dem militärischen Konflikt müssen sich die Menschen vor Ort doppelt bestraft fühlen, wenn sie zu erlebtem Unglück jetzt auch noch allein gelassen werden, gerade dann, wenn Einkünfte aus dem Tourismus vielleicht mehr als zuvor von existentieller Bedeutung für sie sind.
Vor allem müssen wir uns fragen, in wie weit wir Menschen für autokratische Strukturen oder politische Vergehen ihrer jeweiligen Regierungen haftbar machen wollen. Unser Protest kratzt die Autokraten selbst überhaupt nicht – dafür straft unser Fernbleiben die Menschen vor Ort.
Was spräche heute – und vielleicht mehr als je zuvor – für Begegnungen und Reisen in dem oft so unheiligen und dennoch „heiligen“ Land?
Dieses heilige Land und seine Propheten haben der Welt die vielleicht grösste Revolution im Bewusstsein der Menschheitsgeschichte überhaupt geschenkt: Die Hoffnung! Gegenüber einem „zirkularen“ Weltbild der Antike, in dem „nichts neues unter der Sonne“ geschieht, wo die Götter verstanden wurden als schlechte Verwalter eines perspektivelosen Weltgefüges hören wir die visionäre Stimme der Propheten Israels: Die Welt ist tatsächlich schlecht, soll es aber nach Gottes Willen nicht bleiben! Eines - vielleicht fernen - Tages werden Schwerter zu Pflugscharen umgeschmiedet, und wir alle sind Teil und Beauftragte einer linearen Geschichtsentwicklung auf dem Weg hin zu der besseren, der vollkommenen Welt, einem himmlischen Jerusalem auf dieser Erde. So komplizierende Begriffe wie Apokalypse und Eschatologie versuchen eine sehr allgemeine menschliche Grunderfahrung zu beschreiben: Unsere Konflikte führen uns in die Verzweiflung und (scheinbare) Perspektivelosigkeit – hinter der eine neue Welt, Zukunft und bis dahin ungedachte Möglichkeiten für ein neues Miteinander auf uns warten!
Diese Vorstellung von Hoffnung und Zukunft nach Krise und Apokalypse bündelt sich, biblisch wie dann auch tagespolitisch aktuell im Heiligen Land. Und tatsächlich begründen Menschen in diesem heiligen Land, immer wieder und fast täglich neu Ideen, Initiativen, Einrichtungen, Gemeinschaften und Organisationen, die einer besseren Zukunft verpflichtet sind: „Seeds of Hope“! Und das dann „against all odds“ und scheinbar gegen jeden skeptisch-resignierenden Menschenverstand. Es gibt keinen weiteren Ort auf dieser Welt, wo inmitten von Reibung und Konflikt so viel Hoffnung gestiftet und gelebt wird!
Es muss nicht unsere Aufgabe sein, durch unser Reisen die ökonomische Zukunft von Israelis und Palästinensern zu sichern. Aber wir alle leben von der Hoffnung. Und es könnte von Bedeutung für uns selbst sein, Teil zu haben an der grossen Hoffnung, die von Menschen in diesem oft so unheiligen, heiligen Land gestiftet wird. Es könnte für uns in unserer eigenen oft unheiligen Welt zu einer grossartigen Erfahrung werden, diesen besonderen Menschen und dieser Hoffnung zu begegnen.
Hoffnung stiften, Hoffnung atmen. Immer schon und heute mehr denn je...
Auch uns von SK ist deutlich, dass ein „normales“ Reisen in das Heilige Land gegenwärtig nur schwer vorstellbar erscheint. Zu viel ist passiert, um das Heilige Land allein wegen seiner heiligen Stätten oder dem besonderen Flair von Tel Aviv zu bereisen. Umso mehr und mehr als je zuvor geht es um die Hoffnung. Hoffnung für die Menschen vor Ort – und nicht weniger auch für uns selbst. Sie zeigt sich in den „lebendigen Steinen“, den wirklich zahllosen Menschen, die sich weiterhin für ein Miteinander stark machen, die nicht aufgegeben haben. Wir selbst (SK Tours) haben schon vor Monaten versucht, diesem Gedanken der Hoffnung eine Plattform zu geben mit dem Projekt „Beit Dialog“ (www.beit-dialog.net), das sich an die Menschen wendet, die Teil haben wollen an dem Prozess des Neuanfangs.
Es war dann auch eine besondere Freude für uns, bei der Würdigung von vier besonderen Menschen involviert sein zu dürfen: Am 26. Oktober wurde in der Dormitio-Abtei der Mount Zion Award 2025 verliehen - an vier Beduinen aus Rahat, die am 7. Oktober unter Lebensgefahr rund 40 Menschenleben vor dem sicheren Tod retteten: Rafi, Ismail, Hamed und Dahesh Alkrenawi.
Unsere Freunde von der Dormitio-Abtei waren letztes Jahr bei unserer „Hoffnung stiften“-Reise auf diese vier aussergewöhnlichen Menschen aufmerksam geworden. Es war ein bewegender Moment, sie nun in Jerusalem auf der Bühne zu sehen - in einem sehr würdigen Rahmen!
Einen Tag darauf haben wir dann für die „Dormitio & Friends“ eine Exkursion organisiert: zuerst zum Nova-Gedenkplatz, anschliessend nach Rahat, zu den Preisträgern und ihren Familien. Mit uns unterwegs eine gut fünfzigköpfige Gruppe, bestehend aus jungen Studierenden („Theologisches Studienjahr Jerusalem“ und „Studium in Israel“), der Mönchsgemeinschaft um Abt Nikodemus, Freunden der Dormitio-Abtei – und auch Bodo Ramelow, Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Ein bewegender Tag für alle Teilnehmer zwischen Trauer und Hoffnung. Unten ein paar Bilder von dem Geschehen...
Es bleibt einfach ein spannendes Land, dieses Heilige Land! Existenziell, herausfordernd und – hoffnungsvoll!
Mit den besten Grüssen aus Jerusalem,
Das SK-Team mit Tzachi, Matty, Motti, Li, Gedi & Georg
SK Tours in Nature & Beit Dialog - Interkulturelle Seminare
Und hier ein paar Eindrücke von den beiden Tagen:
Mount Zion Award & Excursion Oct 2025
Und ein paar ergänzende Artikel und Videos:
https://www.youtube.com/watch?v=CrXtTYm_NB8
https://dormitio.net/aktuelles/mount-zion-award-2025.html
https://www.domradio.de/artikel/jerusalemer-benediktiner-verleihen-friedenspreis
https://www.facebook.com/nikodemusschnabel
SK Tours in Nature & Beit Dialog - Interkulturelle Seminare