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Ronen Steinke las in Stadthagen aus seinem Buch "Terror gegen Juden"

Eine gemeinsame Veranstaltung der GEW und des Fördervereins

„Die Kinder dürfen keinen Mucks von sich geben“, liest Ronen Steinke. In der Passage aus seinem Buch „Terror gegen Juden“ geht es um den Alltag an jüdischen Schulen. „Kein Mucks!“ Das ist die Parole, wenn das Verhalten bei einem Terrorangriff geübt wird.

Friedrich Lenz, der Vorsitzende der GEW Schaumburg, hatte den an der Bucerius Law School in Hamburg ausgebildeten Juristen, der sich nicht nur durch seine Artikel in der Süddeutschen Zeitung als Journalist einen Namen gemacht hat, ins Ratsgymnasium eingeladen, unterstützt von der Alten Polizei, der Volkshochschule und dem Förderverein ehemalige Synagoge.

 

Steinke kommt nicht mit der Kippa daher, sagt aber klipp und klar: „Ich bin Jude.“ Zu den Strenggläubigen gehört er nicht, das wird deutlich. Dass das Judentum als gelebte Religiosität mit Bräuchen und Riten, Feiertagen und eigener Kultur die Antisemiten der Welt kaum interessiert, ist für Steinke nicht erstaunlich. Ihr Hass speise sich nicht aus Religionsvergleich oder Erfahrung, sondern aus existenzieller Verunsicherung, tiefer Frustration und fehlender Wertebindung.

Man lebe als Jude in Deutschland immer noch und in jüngster Zeit zunehmend in einer von Gefährdung oder Bedrohung geprägten Ausnahmesituation, sagt Steinke, darüber dürften die 2021 laufenden Feierlichkeiten unter dem Motto „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ nicht hinwegtäuschen. Fast 100 Seiten umfasst die Chronik, mit der der Journalist an bekannt gewordene antisemitisch motivierte Straftaten seit 1945 erinnert. Auf der entsprechenden Deutschlandkarte sind auch Stadthagen, Bückeburg und Obernkirchen zu finden.

Im Verlauf der Aussprache forderte Steinke einerseits mehr und besseren Schutz jüdischer Einrichtungen, weiß aber andererseits auch um die problematische Prägung der Kinder, die sich in der Schule „wie im Hochsicherheitstrakt“ fühlen. Religiöses Leben bedürfe der Freiheit, der Staatsferne, der Staat dürfe aber nicht wegsehen oder den Schutz den Gemeinden allein überlassen – auch nicht in finanzieller Hinsicht. Die Rechtsprechung müsse unabhängig bleiben, sie bei ihrem Tun und Lassen aber kritisch zu beobachten, sei unbedingt geboten, gerade nach Fällen „unfassbarer Milde“ gegenüber bekennenden Antisemiten.

Viel Applaus gab es für die Forderung, mit den Mitteln des Rechtstaates gegen völkische Tendenzen in den Reihen der Polizei vorzugehen. Dass die AfD sich mit einer Gruppe Juden unter ihren Mitgliedern schmücke, um judenfreundlich zu wirken, sei perfide angesichts der eigenen völkischen Tendenz.

Zum Kampf gegen Antisemitismus oder andere Ausgrenzung, etwa Rassismus oder Islamophobie, betonte Steinke die Bedeutung der Bildungsarbeit. Erst kürzlich hat er die Schrift „Antisemitismus in der Sprache“ vorgelegt. Solange es jedoch so viele Anlässe oder Gründe gebe, nach „Sündenböcken“ zu suchen, sei Optimismus nicht angesagt. Von Volkmar Heuer-Strathmann

Siehe hierzu auch die Berichterstattung in den SCHAUMBURGER NACHRICHTEN:

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